Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Gwenni

Wie ja bekannt ist, halte ich Kanarienvögel und Gwenni ist der jüngste, ein zierlicher hellgelber Harzer Roller, der vermutlich gerade ein Jahr alt geworden ist. Eigentlich hatte ich ja eine kleine Kanariendame kaufen wollen. Aber als das Tierchen, das im Käfig mit "das-sind-garantiert-alles-Weibchen" gewesen war, sein Transportkästchen verließ, sah es sofort das dunkelgelbe Weibchen (Mama!!- Gwenni war noch sehr jung), dann das Grünfutter (so viel - man konnte sich reinsetze), testete kurz den Käfigein- und -ausflug und fing an zu singen. Mit geschlossenem Schnabel wie das nur Harzer Roller können. Wahrscheinlich war er deswegen falsch einsortiert worden.
Klein-Gwenni war der festen Überzeugung, dass er nach dem schrecklichen Intermezzo da im Großhandel nun im Paradies für brave Kanarienvögel lebte. Das hatte seine Mama wohl gesagt: "Kleine Kanris müssen Mama und Papa früh verlassen. Aber wenn du immer lieb bist, dann findest du einen Platz wie hier."
Also war Gwenni immer sehr lieb und beachtete alle Regeln, sobald er sie herausfand.

Er wurde allmählich erwachsen und zu einem kleinen Indiana-Gwenni, der auf abenteuerliche Entdeckungsreisen ging. Er lernte den Flur zu meiden - da wurde man mit so einem schrecklichen Ding wieder eingefangen. Und das Schlafzimmer war ein bisschen dunkel. Aber in der letzten Zeit hatte er entdeckt, dass es Spaß machte, den netten Futtergeber morgens zu holen, wenn der zu lang schlief. Und zwar indem er ein paar fröhlich zwitschernde Runden über dem Bett drehte, wenn einfaches Rufen von der Tür aus nichts nützte.

Genau das hatte er wohl diesen Samstag wieder vor. Er begann den fröhlich zwitschernden Anflug, schaute dabei wohl nicht genau, wohin er flog, und raste gegen eine Kante: schwere Gehirnerschütterung. Anfangs wimmerte er vor Schmerzen, dann zuckte er nur noch. Grausige Krämpfe den ganzen Tag über und bis in die Nacht hinein Lange Zeit hielt ich ihn in den Händen, damit er sich nicht noch schwerer verletzt, zeitweise saß er in einem gut gepolsterten Kästchen. Gegen Abend konnte er dann an die Käfigwand gelehnt sitzen, während die Zuckungen ihn die Wände entlang wandern ließen.
Sonntag schlief er, putzte und putzte sich und wollte nicht mehr angefasst werden. Montagnachmittag aß er endlich ein wenig. Heute wollte er wenigstens etwas höher als der Boden sitzen. Vielleicht überlebt er.

Mein Vater offerierte seit dem Unfall seine übliche Patentlösung: Noch ein Schlag und das Leiden ist beendet.

Die Sache ist nur, wenn der kleine Vogel reden könnte, wäre er anderer Meinung. Er möchte leben. Er braucht nur Schutz und Pflege, um das zu schaffen.

Klar. Nur ein Vogel. - Aber im Grunde sind wir auch gerade in der Diskussion, wie man mit Menschen verfahren soll, die in vergleichbaren Lagen sind. "Sterbehilfe" nennt man das jetzt. Viele meinen inzwischen, die Patentlösung meines Vaters sei die eigentlich humane.
Und ich frage mich, was mit den Menschen passiert ist, die den Lebenswillen nicht mehr haben, den jeder kleine Vogel hat: so lange und so gut wie möglich zu leben, selbst mit Schmerzen, selbst mit Einschränkungen

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