Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Dienstag, 24. April 2012

Glaubwürdigkeit: Taten, die lauter sprechen als Worte

Oft wird die Aussage, dass Taten lauter sprechen als Worte, dahingehend interpretiert, dass soziales Engagement entscheidender sei, als geistliche Übungen. Oder von anderen, dass geistliche Übungen entscheidender seien, als auch einmal Wahrheit in eine verfahrene Situation zu sprechen. Der Fehler der solchen Auslegungen und Engführungen anhaftet, ist der, dass eigentlich gemeint ist: Wenn Taten und Worte im völligen Einklang miteinander stehen, erst dann haben sie wahre Durchschlagskraft, wobei es sinnvoll ist, dass auch etwas von den Taten sichtbar ist, damit die Worte nicht leer im Raum stehen.

Ich will wieder eine Geschichte erzählen. Dieses Mal von einer Jugendarbeit. Es war eine Jugendarbeit, deren Verantwortliche sich ehrlich bemühten, den Jugendlichen zu vermitteln, was zum Christsein gehört und die hohen Wert darauf legten, dass auf ihren Wochenenden nichts gesagt und getan wird, das der katholischen Lehrmeinung widerspricht. Um auch die Wichtigkeit eines Lebens mit den Sakramenten zu verdeutlichen wurde auf diesen Wochenenden möglichst täglich die heilige Messe gefeiert und es bestand die Gelegenheit zur Beichte. Beides wurde von den Teilnehmern gut angenommen.

Es gab nur zwei Dauerprobleme. Das erste hieß, wo finden wir einen Priester, der die katholische Lehre klipp und klar vergibt und bei dem die Jugendlichen auch menschliche Annahme finden? Die zweite war, wo finden wir neue Mitarbeiter, an die alles einmal übergeben werden kann und die selbst Mitarbeiter ausbilden können?

Das erste Problem war beträchtlich. Meistens lief es darauf hinaus, dass Pfarrer A durchaus fromm und umgänglich war, aber leider sehr eigene Auffassungen von Liturgie hatte. Oder Pfarrer B zwar völlig korrekt war aber Jugendliche richtiggehend erschreckte. Oder Pfarrer C mehr wünschte, seine eigene Auslegung zu der einen oder anderen theologischen Frage vorzutragen als die Lehrmeinung der Kirche. Schließlich schien das Problem gelöst, ein junger Priester, der recht beliebt war, sich korrekt verhielt und korrekte Aussagen machte, war jahrelang bereit, die Aufgabe der geistlichen Begleitung zu übernehmen.

Der Kreis der jugendlichen und jungen erwachsenen Mitarbeiter wuchs stetig, es wurden mehr und mehr Jugendliche erreicht - und plötzlich brach alles in sich zusammen. Innerhalb eines Jahres stellte sich heraus, dass der größte Teil der jungen Mitarbeiter nicht lebte, was den Teilnehmern als richtig dargelegt wurde. Klärungsversuche brachten zutage, dass dies durchaus nicht nur den Bereich der gelebten Sexualität betraf, sondern das ganze geistliche Leben.

Die Verantwortlichen waren niedergeschlagen. Sie hatten wirklich alles getan, um in dieser Einheit von Worten und Taten zu leben, hatten große persönliche Opfer gebracht, und doch war es gescheitert. Resigniert stellte der eine oder andere fest, dass wohl der Prägung durch die ganze Umwelt kein noch so gutes Beispiel mehr etwas entgegensetzen kann.

Und dann, Jahre später erst, kam es heraus, wo tatsächlich die Lebenslüge in der Leitung gesteckt hatte. Es war ein Schock, denn der um den es ging, war vielen ein Vorbild an Integrität gewesen und manchen sogar ein geschätzter geistlicher Begleiter. Es war jener inzwischen nicht mehr ganz so junge Priester. Für die Justiz war es kein Fall, er hatte nur dem Charme junger Frauen über 18 nicht viel widerstehen können, seit seiner Kaplanszeit mehrere solcher Beziehungen, darunter eine langjährige unterhalten. Und obwohl seine Vorgesetzten davon nach und nach erfuhren, wurde ihm eine Vertrauensposition nach der anderen übertragen. - Dank seiner mit perfekter Fassade gelebten Lüge hatte tatsächlich beim ganzen Aufbau jener Jugendarbeit das Wort und die Tat nie überein gestimmt. Keiner wusste es, aber die geistlichen Gesetzmäßigkeiten funktionieren nun einmal wie die Naturgesetze: die Schwerkraft bleibt bestehen gleich wie überzeugend man behauptet, sie ignorieren zu können - und gelebte Lüge bringt gelebte Lügen hervor.

Nicht nur, dass plötzlich verständlicher war, warum die ganze Arbeit damals gescheitert war; durch das Herauskommen der Wahrheit fiel es allen, die ihm vertraut hatten, erst einmal schwer, überhaupt noch einem Priester zu vertrauen: nach dieser Erfahrung konnte ja fast alles Lüge und Vorspiegelung sein, es sei denn, man kannte die Person sehr gut und persönlich.

Ich selbst (und ich war damals nur einer der jungen Nachwuschsmitarbeiter und er war nie mein geistlicher Begleiter oder Beichtvater) bin dadurch immer noch sehr erschüttert. Aufgrund eines kleinen Vorfalls war er für mich auch ein Vorbild an Integrität gewesen. Die Zweifel kriechen seinetwegen immer wieder einmal gegenüber anderen hoch: "Wer ist dieser Mensch wirklich? Wieviel ist nur Fassade? Kann man überhaupt jemandem vertrauen?" Ich versuche diese Zweifel abzuschütteln, aber sie warten jetzt immer im Hintergrund.

Wie gesagt, nach dem Strafgesetzbuch lag hier nichts vor. Von Pädophilie keine Rede. Der Schaden für die Glaubwürdigkeit gigantisch. Ich weiß nicht, ob das für mich jemals ganz repariert werden kann.

Ganz anders steht es für mich dem hier beschriebenen Fall. Der Unterschied zum oben Beschriebenen war, dass dieser zweite mich nie belogen hat. Sein Leben war auch zerspalten, aber in der Krise hat er seinen Freunden nichts vorgespiegelt sondern den Kontakt abgebrochen. Er hat sich damals völlig von allen abgeschottet, die ihn näher kannten, außer von denen, die ihn in sein Unglück hinabzogen. Während jener oben Genannte seine eigene Priestergemeinschaft belogen hat, als er für die endgültige Aufnahme eine Lebenszeugnis schreiben sollte, während jener wahrscheinlich selbst seinen geistlichen Begleiter genasführt hat, hat dieser andere (noch vor der unter dem Link beschriebenen Tragödie) in seinem Lebenszeugnis keinen Fehler verschwiegen, obwohl ihm das Nachteile brachte. Weil in der Beichte nicht hätte lügen wollen oder können, ist er nicht mehr zur Beichte gegangen. Und als ich ihm nach jenen Vorfällen und vielen Jahren Kontakt wiederbegegnete, hat er von sich aus und recht schonungslos gegen sich selbst, erzählt was geschehen ist.

Darum ist für mich seine Glaubwürdigkeit nicht in Frage gestellt.

 Glaubwürdikeit wird nicht erschüttert dadurch, dass jemand in Sünde fällt, sie bereut und neu anfängt. Glaubwürdigkeit wird erschüttert durch Lüge, Betrug und Vortäuschungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen